Gründungsanlass

“Bundesarbeitsgemeinschaft Suchtberatung in der Polizei”

 

Chronologie einer Selbsthilfe

Warum?

Obwohl Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit bekanntermaßen bei Menschen aller Bevölkerungsschichten und Berufssparten zu finden ist, suchte man ein offenes Wort zu Abhängigkeitserkrankungen und Hilfskonzepten in der Polizei lange Zeit vergeblich. Um so intensiver machten Schlagzeilen von Zwischenfällen mit betrunkenen Polizisten im und außer Dienst die Runde in der Öffentlichkeit.

Verdrängung und fehlende Offenheit innerhalb der Polizei führte betroffene Kollegen regelmäßig in eine ausweglose existenz- und lebensbedrohende Krise. Vorgesetzte standen der Entwicklung aufgrund fehlender Handlungskonzepte in den Behörden selbst hilf- und darüber oft tatenlos gegenüber.

Gründung

1990 setzten sich Beamte, Suchtkrankenhelfer, Ärzte und Sozialbetreuer der Polizei aus Hamburg, Berlin, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bayern zusammen, um Grundlagen für die Betreuung alkoholkranker Kollegen zusammen zu tragen. Einige Ländervertreter konnten bereits auf Erfahrungen in der ehrenamtlichen und dienstlichen Suchthilfe zurückgreifen. Sie unterstützten die Eigeninitiativen der Kollegen anderer Bundesländer. Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, war Gründungsgedanke der Bundesarbeitsgemeinschaft. Die BAG setzt sich zusammen aus dem Vorstand und den Vertretern aller beteiligten Bundesländer. Die Arbeitsgemeinschaft ist offen für alle Polizeibeschäftigten.

Jährliche Fachtagungen in verschiedenen Bundesländern spiegeln die Ziele der BAG wider:

  • Unterstützung und Koordinierung der jeweiligen Länderinitiativen
  • Fachliche Beratung der Länder bei der Entwicklung der betrieblichen Suchtkrankenhilfe und Entwurf von Dienstvereinbarungen
  • Bildungsarbeit der Kollegen vor Ort
  • Kontakte zu politischen Organen und Behörden
  • Öffentlichkeitsarbeit
  • Kontakt zu Beratungsstellen, Fachkliniken und Haupt- und Landesstellen für Suchtfragen

 

Entwicklung

Zunächst waren es nur einzelne Polizeibehörden, die die Fachtagungen nutzten, um eigene Betreuungskonzepte auf die Beine zu stellen oder bestehende mit neuen Inhalten zu füllen.

Den Durchbruch brachte ab 1999 die Bereitschaft der jeweiligen Innenminister, die Schirmherrschaft über die Jahrestagung zu übernehmen und die Probleme mit landesweiten Initiativen offen anzugehen:

  • 1999 in Magdeburg/Sachsen-Anhalt. Innenminister Dr. Püschel legt anlässlich der Tagung seine Pläne zur Suchtkrankenhilfe in der Polizei des Landes in einer Pressekonferenz dar.
  • 2000 in Eisenach/Thüringen. Innenminister Köckert eröffnet die 10. Jahrestagung mit dem Thema „Suchtprävention – eine Führungsaufgabe“. Zur Koordinierung einer landesweiten Betreuungsarbeit wird die Stelle eines Suchtberaters in der Thüringer Polizei eingerichtet und mit einer Polizeibeamtin hauptamtlich besetzt. Parallel zur Tagung findet ein Führungscoaching mit den Polizeidirektoren des Landes statt.
  • 2001 – Weinböhla/Sachsen. Staatsminister Klaus Hardraht eröffnet die Tagung unter dem Thema „Verantwortung tragen, Hilfe wagen – neue Wege aus der Sucht“. Gemeinsame Presseerklärung des Landespolizeipräsidiums Sachsens und der BAG. Weitere Ausbildung von Suchtkrankenhelfern für die Polizei in Sachsen. Erneut schulen fachlich qualifizierte Mitglieder der BAG leitende Polizeibeamte im Umgang mit betroffenen Mitarbeitern.

 

Im März 2001 wurden die Initiativen der BAG vom Unterausschuss Recht und Verwaltung des AK II der ständigen Innenministerkonferenz als bedeutsame Beiträge zur polizeilichen Arbeit anerkannt. Die BAG steht den Ländern offiziell als kompetenter Berater zur Verfügung.

In den letzten 25 Jahren ist mit der Konsequenz, die die Arbeitsgemeinschaft vertreten hat, das Bewusstsein in den Länderpolizeien und des Bundes verbindliche Hilfsangebote für betroffene Kollegen zu schaffen und auszubauen, ständig gewachsen.

Die Zusammenarbeit der offenen Arbeitsgemeinschaft beschränkt sich nicht nur auf die Zeit der Tagungen. Jederzeit tauschen die Mitglieder bundesweit Erfahrungen aus, beraten, geben fachkundige Tipps und unterstützen die Arbeit durch gegenseitige Seminare.

Die BAG ist im fachlichen Netzwerk „Sucht am Arbeitsplatz“ der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V. verankert.
Fachleute der BAG werden regelmäßig zur Ausbildung von Führungskräften in die Fachhochschulen und in die Führungsakademie der Polizei eingeladen.
Durch diese Arbeit und das Engagement ihrer Mitglieder in weiteren Organisationen, die sich der Suchtprävention widmen, ist die BAG im Netzwerk bundesweiter Suchtprävention eingebettet und anerkannt. Die Akzeptanz der BAG  ist zweifellos in der Betroffenheit vieler ihrer Mitglieder begründet. Die eigene Abhängigkeitserkrankung  findet in den Richtlinien zur Zusammenarbeit der Bundesarbeitsgemeinschaft (Link) besondere Berücksichtigung.

Aber Suchtarbeit kann im Gesundheitswesen nicht isoliert betrachtet werden. „Gesundheit in der Polizei“ bedeutet breitgefächerte Prävention gegen krankmachende Faktoren am Arbeitsplatz. Über- und Unterforderung, Depressionen, Mobbing, Trauma, Ängste und psychosomatische Störungen können regelmäßig in eine Suchterkrankung führen und damit den einzelnen in eine lebensbedrohende Krise bis hin zum Suicid bringen.

Das neue Konzept in der Personalführung führt bis heute zur Initiierung betrieblicher Gesundheitsmanagements in den Polizeien der Länder und des Bundes. Es gilt in einem ständigen Prozess die Arbeitsbedingungen und -abläufe systematisch zu verbessern sowie die Gesundheitskompetenz der Beschäftigten zu stärken – Ziele, die die BAG schon immer als eine wirksame Prävention gegen Suchterkrankungen am Arbeitsplatz vertreten hat.

Die Arbeitsgemeinschaft legt Wert darauf, dass die Suchtberatung eine tragende Säule des Gesundheitsmanagements bei der Polizei ist und bleibt – mit einer Erfolgsbilanz der Selbsthilfe für Polizeibedienstete, die anfangs kein Gründungsmitglied für möglich gehalten hätte.

 

Wolfgang Klages
Pressesprecher BAG-Sucht